Bei dem Versuch die unvorstellbare Zahl der Opfer begreifbar zu machen wurde klar, dass es niemals nur um Zahlen gehen darf, sondern dass es wichtig ist den einzelnen Opfern wieder ein Gesicht zu geben. Unter den Händen von Jochen Meyder entstanden im Laufe der Jahre 10654 Terra- cotta Figuren, einzeln modelliert, mit individuellem Gesicht. Die Besucher der Gedenkstätte sind eingeladen eine Figur mit nach Hause zu nehmen. Sie können so eine posthume Patenschaft übernehmen, und einem Menschen wieder einen Ort des Gedenkens geben.
In der Auseinandersetzung mit der Installation „Grafeneck 10654“ von Jochen Meyder entstand bei Thomas Fortmann die Idee zu einem Gedenkkonzert für die Opfer. Nach Gesprächen mit dem Komponisten und Geiger Helmut Lipsky entwickelte sich daraus ein Konzert, das musikalisch die Geschichte des Schlosses nachzeichnet.
Die Musik
Das Programm beginnt mit einer Renaissance Introduktion, einer „Allemanda con Tripla“ von Thomas Fortmann. Es folgen je eine Komposition beider Autoren auf Themen aus den „Württembergischen Sonaten von Carl Philipp Emanuel Bach“, welche Herzog Carl Eugen gewidmet waren. Darauf setzt sich Helmut Lipsky in seinem Stück „Überm Sternenzelt sicher wohnen“, mit Schillers Ode an die Freude auseinander und der Abschluss bildet die Komposition Grafeneck 1940 von Thomas Fortmann, welche sich mit dem unbegreiflichen Geschehen in Grafeneck befasst. Alle fünf Stücke wurden eigens für dieses Gedenken geschrieben und verlangen eine ungewöhnliche Besetzung: Violine (plus elektrische Vl), Piano und Perkussionen.
Jochen Meyder studierte Bildhauerei in Stuttgart und Nürnberg, Kunstgeschichte und Philosophie in Tübingen. Seine Arbeiten sind der Figur verpflichtet, werden aber oft collage ähnlich durch Fundgegenstände kontrastiert, und erhalten so eine neue Aussage. Die Auseinandersetzung mit den Morden in Grafeneck umfasst eine eigene Werkgruppe.
Grafeneck, viele Jahre Jagd- und Lustschloss Herzog Carl-Eugens von Württemberg war im 18. Jahrhundert ein Ort der Kultur an dem Musik, Oper und Ballett gepflegt wurde. 1928 übernahm die Samariterstiftung das Schloss als Ort für behinderte Menschen. Im Jahr 1939 wurde es vom nationalsozialistischen Staat für „Zwecke des Reichs“ beschlagnahmt. Ab Januar 1940 bis in den Dezember desselben Jahres wurden dort 10654 Menschen mit Behinderung und psychisch Kranke in einer Gaskammer ermordet.